Meine Kolumne in der Donna
Ich liebe meine Arbeit als Autorin. Das besonders Schöne daran ist die Vielfalt der Themen, aber auch, dass ich der Boss bin und entscheide, was das Schicksal für meine Protagonisten in petto hat. Das gilt natürlich nur für die Romane. Bei den Sachbüchern bleibe ich schön brav bei den Fakten. Also meistens. Manchmal muss man eine Geschichte durchaus ein bisschen den Erfordernissen anpassen. Dabei greife ich auf meine Erlebnisse als vierfache Mutter und einfach auch als Mensch zurück.
Genau darum geht übrigens in meiner Kolumne in der „DONNA“: Dort darf ich über alles schreiben, was mein Leben ausmacht, worüber ich mich gerade wundere oder auch, wo ich an meine Grenzen gerate.
Und das passiert, oh ja! Beispielsweise, wenn ich meine eigene Schrift in meinem Kalender nicht mehr lesen kann und mich frage, was zur Hölle mit „STOMS“ am Samstagnachmittag gemeint sein soll, wenn ich meinen Schrank ausmisten möchte, oder einen Shitstorm ausgelöst habe. Natürlich alles aus meiner ganz persönlichen Sicht und mit dem Humor, ohne den ich mir mein Leben nicht vorstellen kann. Und eine „Lucinde wird 50“ -Kolumne schon gleich gar nicht.
PS: Die Kolumne befindet sich in der „DONNA“ relativ weit vorne im Heft – meist irgendwo zwischen den Seiten 10 bis 16.
Ich habe es schon wieder getan. Dabei habe ich so sehr gehofft, dass es nie wieder geschieht. Sinnlos. Es passiert mir viel zu häufig und trotz diverser Vorkehrungen immer wieder.
Die Rede ist von verschusselten Terminen, Doppelverabredungen, Freunden, die mich nicht mehr ernst nehmen und Absagen, vielen Absagen meinerseits. Meine Kinder sind sauer, weil ich manchmal nicht alle ihre Dates auch noch im Kopf habe oder vergesse, warum sie gerade heute gerade jetzt gerade an diesem ganz speziellen Ort sind und Aufregendes erleben, wonach ich mich bitte erkundigen und terminlich richten soll. Ich gebe mein Bestes, wirklich. Natürlich habe ich außerdem einen Kalender, aber das hilft wenig bis gar nichts. Ich schreibe die Termine zwar fast immer auf, zumindest, wenn ich einen Stift und den Kalender auch wirklich zur Hand habe, aber nicht selten an Tagen, an denen sie nicht stattfinden, oder in den falschen Monaten. Von Uhrzeiten sprechen wir am besten gar nicht.
Ich kann auch Verabredungen ausmachen und die dann so eintragen, dass ich später keine Ahnung mehr habe, mit wem. Denn wenn beispielsweise die Zahnarzt-Sprechstundenhilfe am Telefon verkündet: „Hutzenlaub, 10. September, 16.00 Uhr“, dann steht es genau so in meinem Kalender. Wäre allerdings hilfreich, da würde nun nicht „Hutzenlaub“ stehen, sondern der Name des Arztes, mit dem ich mich verabredet habe. Wie ich selbst heiße, weiß ich nämlich noch. Beinahe schon erstaunlich. Nein, es gibt nichts zu beschönigen: Ich habe eine akute Kalenderschwäche.
Während ich Manches ab und zu vielleicht richtig notieren würde, klingelt bei mir aber schon wieder das Telefon, jemand an der Tür, ein Kind braucht sofort Hilfe bei einer Aufgabe, die unlösbar ist, aber die Mutter, die alles kann, außer korrekte Kalendereinträge erstellen, soll doch bitte jetzt, bitte gleich. Und schon habe ich mich verblättert, nicht richtig gelesen und … Jaja, immer sind die anderen schuld, schon klar. Ich weiß es ja selbst. Konzentration heißt das eine Zauberwort. Aber das andere.
Mein Leben ist bestimmt von einem dauerhaft schlechten Gewissen, und der Sorge, irgendetwas vergessen, verpasst oder falsch aufgeschrieben zu haben. Zu Recht. Wenn ich wieder eine Verabredung vermasselt habe, fühle ich mich grässlich, entschuldige mich blumenreich und schwöre mir und meinem Gegenüber, dass das nie wieder vorkommen wird. Nun. Es wird. Soviel ist schon mal klar. Denn in meinem Kopf, meinem Leben und in meinem Kalender sind einfach viel zu viele Dinge gleichzeitig. Ich streiche durch, verwerfe, und sage ab, manchmal sogar unterwegs im Auto. Überhaupt ist die Freisprechanalage der Feind meiner verbindlichen Verabredungen. Denn sobald ich im Auto sitze, habe ich keinen Zugriff auf den Kalender und sobald ich ausgestiegen bin, sowieso wieder alles vergessen. Katastrophe. Verschlimmernd kommt noch hinzu, dass ich meine eigene Schrift nicht lesen kann. Nächstes Wochenende steht zum Beispiel am Samstag etwas drin, das ich bestenfalls als „STOMS“ identifizieren kann. In meiner eigenen Handschrift. Nun ist es ja nicht so, dass ich mir selbst geheime Nachrichten schicken müsste, nein, ich könnte die Dinge einfach so aufschreiben, wie sie sind. Aber ich mache es nicht. STOMS könnte also eine Abkürzung sein. Ein nicht zu Ende geschriebenes Wort. Eine Zahlenkombination von … irgendetwas, das nur aus Versehen so ähnlich aussieht wie Buchstaben. In meiner Not habe ich STOMS sogar gegoogelt. Nicht hilfreich. STOMS steht für Space Telescope Observatory Management System.
Eine hinweisgebende Uhrzeit war nirgends zu entdecken. Ich weiß also noch nicht einmal, ob es sich bei STOMS um eine Abendveranstaltung oder ein Frühstück handelt. Meinem Bruder, der sich an diesem Tag mit mir treffen wollte, habe ich jedenfalls prophylaktisch abgesagt. An besagten Samstag ist übrigens rein gar nichts passiert. Keiner hat angerufen, um mich an eine „STOMS“-verabredung zu erinnern. Niemand war beleidigt, weil ich nicht zum Stomsen erschienen bin, oder hat gefragt, was man wohl dazu anzieht. Jetzt bin ich beinahe ein bisschen enttäuscht.
Ich habe einen Shitstorm ausgelöst! Oh nein, das bedeutet nicht, dass ich überraschend berühmt geworden bin, sondern eher, dass es da draußen Menschen gibt, die nichts Sinnvolleres mit ihrer Zeit anzufangen wissen. Die Ursache war harmlos: Ich habe gefragt, was Frauen glücklich und frei macht und selbst Momente genannt, in denen ich mich so fühle. Ich stehe gern am Meer und schaue in die Ferne und ich singe im Auto laut zu alten Hits. Nichts Weltbewegendes, schon klar, aber mein Glück und meine Freiheit. Dafür musste ich mir sagen lassen, dass ich die Sache der Frauen verrate und mein Post armselig ist, wenn mir zu so einer wichtigen Sache nur Banales einfällt. Schande über mich!
Es vergeht kein Tag, an dem nicht durch irgendeinen Post eine Lawine an gehässigen, gemeinen und auch bedrohlichen Kommentaren auf den Sozialen Medien losgetreten wird, wobei es völlig gleichgültig ist, ob der Verursacher oder die Verursacherin auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene unterwegs ist und es ist auch noch nicht einmal notwendig, dass sie eine wie auch immer geartete Meinung äußern. Es reicht schon ein Kleidungsstück. Berühmtes und sehr aktuelles Beispiel dafür ist Meghan Markle. Sie hat einen Shitstorm mit dem Mantel ausgelöst, den sie zur „Rememberance Day“-Gedenkfeier am 11. November trug. Er war schlicht und schwarz und – Achtung, jetzt kommt der Skandal - von Stella McCartney, die wiederum stolz darauf war und deshalb ein Bild der Herzogin auf Instagram postete. Als Meghan allerdings daraufhin wagte, öffentlich zu bekennen, dass ihr Leben als Royal auch nicht immer einfach ist, ließ der nächste Shitstorm nicht lange auf sich warten. Da hat sie einen Mann, ein Kind, ein Schloss (ach was eines - MEHRERE!) einen tollen Mantel und beschwert sich trotzdem! Ist das zu fassen? Hat sie ja keiner gezwungen, schrieb beispielsweise woman_0815. Superlady_111 schickte Meghan gleich nach Afrika und zwar ohne Designermantel und dickes Bankkonto. Tja. Früher hat man mit echten Eiern geworfen, heute wirft man eben mit virtuellem … Shit.
Ist ja auch kein Problem. Schließlich weiß keiner, wer woman_0815 oder superlady_111 in Wirklichkeit sind. Gut, es weiß natürlich auch keiner, wer wirklich hinter der öffentlichen Miss Markle steckt und wie es sich anfühlt, ständig in der Öffentlichkeit und unter Beschuss zu stehen, aber das ist ja auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man was zu sagen hat. Möglichst negativ. Da kann man ja auch wirklich stolz sein. Wobei: Worauf eigentlich? Denn um wirklich stolz auf sich zu sein, müssten sie sich schon trauen, den Menschen, die sie da kritisieren, tatsächlich gegenüberzutreten und ihre Meinung zu sagen, ohne sich hinter einem merkwürdigen Internetnamen zu verstecken.
Manchmal bekommt man sogar die Gelegenheit dazu: Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat neulich auf all die Beleidigungen und persönliche Angriffe, die völlig Fremde auf ihrer Seite hinterlassen haben, sehr cool reagiert. Sie hat die Adressen ausfindig gemacht und ist zu den Leuten hingefahren. Hat an ihrer Türe geklingelt und gefragt, ob sie ihr das alles nicht lieber ins Gesicht sagen wollen. Interessant und gleichzeitig nur wenig überraschend: Keiner wollte. Im Gegenteil. Die Leute haben sich über den prominenten Besuch gefreut und Frau Künast auf ihr Sofa eingeladen.
Was mich also wirklich frei und glücklich macht? Ich glaube, das verbindet mich mit Meghan, Renate und den meisten Menschen da draußen: Meine Meinung sagen und ich selbst sein zu dürfen, ohne, dass die halbe Welt das bewertet.
Übrigens: woman_0815 und superlady_111 habe ich erfunden. Ich freue mich trotzdem, wenn jemand eine Meinung hat (gerne auch eine andere) und auch, wenn dieser jemand sie mit mir teilt. Natürlich respektvoll und unter dem richtigen Namen – und wenn sie Kekse mitbringen, sogar auf meiner Couch.
Bitte sprechen Sie mich nicht an. Ich mache gerade meine Steuererklärung. Die Nerven liegen blank, ich habe seit Tagen nicht richtig geschlafen und ernähre mich nur noch von Gummibären. Leider ist das, woran ich jedes Jahr verzweifle, noch lange nicht die Steuer, sondern in Wirklichkeit nur schnöde Ablage. Buchhaltung. Eigentlich müsste ich das mögen, schließlich kommt das Wort „Buch“ darin vor, aber es ist ja doch nur Tarnung für Quittungen und Belege mit viel zu vielen Zahlen darauf. Zumindest für meinen Geschmack. In meinem Gehirn möchte nämlich lieber nichts bleiben, das etwas mit Nummern zu tun hat. Zu meiner Ehrenrettung möchte ich anmerken, dass ich mir dafür Absurdes sehr gut merken kann, wie zum Beispiel, dass Haie immun gegen Krebs sind, oder dass der Boxer George Foreman fünf Söhne hat, die alle ebenfalls George heißen.
Buchhaltung? Danke, aber nein Danke. Immer fehlt etwas und nie funktioniert mein „System“, an das ich mich sowieso nur mit Mühe erinnern kann. Dabei ist die Aufforderung zur Steuererklärung ja keine Überraschung. Der Brief vom Finanzamt kommt schließlich zuverlässig um dieselbe Zeit und auch der Inhalt ist gleich, aber … dennoch. Ich könnte dieses Problem umgehen, indem ich einmal im Monat eine Stunde für Papierkram investieren würde. Anfang des Jahres bin ich diesbezüglich auch voll guter Vorsätze. Ich schreibe pünktlich Rechnungen, drucke Kontoauszüge aus, klebe Quittungen auf, sortiere ein und hefte ab. Im Laufe des Jahres werde ich dann aber leider aus unerfindlichen Gründen ein wenig nachlässig (und wenn ich „ein wenig“ sage, meine ich „ziemlich“), dafür widme ich mich zunehmend meiner persönlichen Form der Ablage: Ich lege alles in einem extragroßen Schuhkarton ab. Fertig. Nein, ich kaufe mir dafür nicht extra jedes Jahr neue Stiefel, um diesen großen Karton zu haben, obwohl ich nach Beendigung der Steuer sehr wohl das Gefühl habe, welche zu verdienen.
Wenn nach mehreren Tagen und Nächten des Verzweifelns endlich alles bei meiner Steuerberaterin ist, frage ich mich meist, warum ich denn so ein Drama gemacht habe. Dann (und wirklich nur dann) bin ich sogar anfällig für den Kauf eines PC-Steuererklärungsprogrammes, das es einem angeblich ermöglicht, auch den Rest so zu erledigen, dass das Finanzamt zufrieden ist und man wahnsinnig viel Geld zurückbekommt.
Ganz ohne Steuerberater oder Steuerberaterin. Ich brauche meine ja schon allein aus psychologischen Gründen, denn jedes Jahr aufs Neue befürchte ich, mit einem Fuß quasi im Gefängnis zu stehen, weil ich vielleicht doch irgendwas falsch gemacht oder vergessen habe. Menschen, die sich auf einer rationaleren Ebene mit dem Thema auseinandersetzen und die ich heiß darum beneide, finden mein Verhalten befremdlich und meinen, ich sollte mich damit beschäftigen, bis ich begriffen habe, was es mit der Steuer auf sich hat. Es sei schließlich kein Hexenwerk. Doch. Ist es. Sehr gerne hätte ich nämlich jetzt an dieser Stelle all das erläutert, was ich noch nie verstanden habe. Aber das geht nicht und das liegt nicht nur an mir, sondern an den komplizierten Bestandteilen des Ganzen, wie der Vorsteuer und der Kleinunternehmerregelung beispielsweise. Und am allermeisten an all diesen verwirrenden internen Unterschieden. Jawohl.
Die Begründung dafür, warum manches mit 7 und anderes mit 19 Prozent Umsatzsteuer bedacht wird, ist zwar vermutlich logisch, denn sie orientiert sich an den Grundbedürfnissen, die für jeden erschwinglich sein sollten, aber die Definition, was da überhaupt dazugehört, ist total speziell. So speziell, dass es dafür beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eine eigene Liste gibt. Brot, Butter, Kartoffeln, Äpfel und Milch werden mit 7 Prozent besteuert. Das leuchtet mir ein. Aber für Apfelsaft, Süßkartoffeln und Sojamilch zahlt man 19 Prozent. Gummibären, Chips und Eis zählen laut BMJV hingegen zu den überlebensnotwendigen Siebenprozentern (vermutlich hat jemand die Einteilung während seiner eigenen Steuererklärung gemacht) wie übrigens auch Hundekekse. Kinderkekse? Sie ahnen es: Bingo. 19 Prozent. Besser ist auch, wenn man schlecht hört, als schlecht zu sehen. Eine Brille wird nämlich mit 19 Prozent besteuert, ein Hörgerät nur mit 7. Ich finde, ich habe mir meine Panik redlich verdient. Das soll kein Hexenwerk sein? Das ich nicht lache. Es ist doch wirklich total schräg. Geradezu absurd. Oh, Moment: Da habe ich ja zumindest für eines meiner Probleme eine Lösung. Ich finde, diese Liste gehört in meinem Gehirn gleich neben George Formans Familie.
DONNA ist die Zeitschrift für Frauen, die angekommen sind. Die mit beiden Beinen im Leben stehen und wissen, was sie wollen.
Die ihr Leben genießen und nicht auf morgen vertagen – denn unsere Zeit ist jetzt!
Großartig, dass ich ausgerechnet für dieses tolle Magazin eine monatliche Kolumne mit dem Titel "Lucinde wird 50“ schreiben darf!
Ich freue mich total!